Partnerschaft auf Augenhöhe

„Mit unseren Partnern im Globalen Süden arbeiten wir natürlich auf Augenhöhe zusammen…“

Diese Aussage hört man immer wieder von Menschen, die sich in der Partnerschaft z.B. auch mit tansanischen  Gemeinden engagieren. Mich beschäftigt dieses Thema seit vielen Jahren. Seit unserer ersten Reise 2003 waren meine Frau und ich bis 2018 insgesamt 10 mal in unserer Partnergemeinden Ilembula, Iyayi und Kanamalenga und es sind Freundschaften entstanden; mit einem verbindet mich eine tiefe, vertrauensvolle Freundschaft, wie ich sie in Deutschland nur wenige habe. Für mich sind diese persönlichen Freundschaften mehr als „Partnerschaft auf Augenhöhe“.

Bei unseren Besuchen in den 19 Dörfern und den vielen, vertrauensvollen Gesprächen haben uns unsere Freunde aber auch immer wieder um Unterstützung gebeten – für Ausbildung von Mitarbeitern oder Kindern, Unterstützung der Waisenbetreuer, Wasserprojekte, ökologische Lehmöfen: wir waren froh, wenn wir ihnen helfen konnten. Mehr darüber können Sie auf vielen Seiten dieser homepage lesen. Doch diese Projekte waren auch immer mit der Überweisung von Geldern verbunden – und damit verbunden Stichworte wie „Vermeidung von Korruption“ und „Nachweis der zweckgebundenen Spenden“. 

Auch wenn Partnerschaftsgruppen meinen, dass sie es schaffen, gleichberechtigt und auf Augenhöhe im Rahmen von Projekten miteinander umzugehen, ist die Ungleichheit von Geldgebenden und Geldempfangenden nicht zu negieren. Paulus sagte: „Geben ist besser den Nehmen“. Er sagte aber leider nicht ergänzend: „Empfangen ist schwerer als Geben“. 

Die Forderung, auf Augenhöhe in Partnerschaften zu agieren, ist nicht neu. Dabei bedeutet der Begriff Partner doch gleichrangiges handeln. Wenn nun der Ruf nach Augenhöhe kommt, heißt das doch, dass wir uns nicht als echte Partner wahrnehmen. Hinzu kommt, dass die Hintergründe der Partner kulturell, finanziell und historisch sehr unterschiedlich sind. Gerade das Bewusstmachen der Unterschiede und der verschiedenen Augenhöhen beinhaltet am Ende viel mehr Partnerschaft als eine Begegnung ohne derartige Erfahrung.

(Tanzania-Network, Habari Dezember 2015)

Auch für Mission EineWelt – die bayerische Partnerschaftsorganisation der Evang.-Luth. Kirche Bayerns – ist das ein Thema. So schrieb das Ehepaar Hoerschelmann, die Leitung von MEW, in einem Artikel:

»Walking side by side« (Kisuaheli: bega kwa bega) – dieser Ausspruch des ehemaligen Bischofs der Evangelisch-Lutherisch en Kirche von Papua-Neuguinea, Dr. Wesley Kigasung, ist in den vergangenen Jahren innerhalb der weltweiten Partnerschaftsbeziehungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) zum Leitbegriff geworden.

Gleichberechtigte Beziehungen sind noch nicht erreicht. Es bleibt einerseits die Enttäuschung, dass wir von der Realität gerechter und gleichberechtigter Beziehungen noch ein gutes Stück entfernt sind – der Begriff „Augenhöhe“ führt hier in die Irre, weil er offen lässt, wer die Augenhöhe bestimmt.  Andererseits hält gerade der so vielschichtige Begriff der Partnerschaft den Blick auf dieses Defizit wach und fordert uns auf, weiter im Diskurs zu bleiben. Die anfangs genannte Interpretation von Partnerschaft als „Walking side by side“ kann hier für die Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes wegweisend sein. 

Hier der vollständige Artikel ⇒ Partnerschaft als Weggemeinschaft

Wer sich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, dem empfehle ich das Buch „Das Märchen von der Augenhöhe“ – Macht und Solidarität in Nord-Süd-Partnerschaften (ww.glokal.org)

Jochen Döring, 1.8.2019