Die (Vor-) Geschichte unserer Partnerschaft mit Ilembula bis 2003

(Erinnerungen von  Gerlinde Rückert)

Die Entwicklung unserer Partnerschaft seit dem Jahre 2003 ist vielen bekannt, weil sich damals der „Arbeitskreis Eine Welt“ der Jesuskirche nach dem Besuch einer größeren Gruppe in Ilembula stark erweitert hatte. Auch der Umfang der Partnerschaftsarbeit hat sich seither enorm ausgeweitet und intensiviert.
Die Coronakrise, in der viele Aktivitäten zwangsläufig ruhen müssen, gibt mir nun die Zeit und die Gelegenheit, mich der Jahre vor 2003 zu erinnern, bevor sie in  Vergessenheit geraten .

Erste Anfänge im Münchener Osten ab 1970

Unter dem Dach des Missionswerks der Evang.-luth. Kirche in Bayern (heute „Mission EineWelt“) gab es bereits seit längerem Partnerschaften zwischen bayerischen Dekanaten und Districts (=Dekanaten) der Diözesen der Lutherischen Kirche Tansanias (ELCT). Im Prodekanat München – Ost (später zweigeteilt in Südost und Ost) hatte 1970 Pfarrer Diez von der Vaterunserkirche Oberföhring erstmals Gemeinde-Kontakte nach Tansania geknüpft und für seine Kirchengemeinde eine Partnerschaft mit der Parish und dem District Makambako im Südwesten Tansanias begonnen.

In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts übernahmen dann zwei Pfarrer Gemeinden im  Münchener Osten, die zuvor viele Jahre im Auftrag des Missionswerks in der Süddiözese Tansanias tätig waren: Pfarrer Waldemar Fischer in Grafing und Pfarrer Hans Luther in Ramersdorf hatten die Idee, die Partnerschaft mit tansanischen Christen von der Dekanats- auf die Gemeinde-Ebene zu holen. Obwohl das Missionswerk dem skeptisch gegenüber-stand, fanden sie mit dieser Idee Resonanz im Pfarrkapitel des Prodekanats, so dass ab 1980 im Münchener Osten mehrere Gemeindepartnerschaften entstanden. Schließlich konnte auch der Kirchenvorstand der Jesuskirche Haar für solch eine Partnerschaft gewonnen werden.

1987: Partnerschaft Jesuskirche Haar – Lutheran Parish Ilembula

Am 29.April 1987 beschloss der Kirchenvorstand, mit der Parish Ilembula im Dekanat Makambako eine Partnerschaft einzugehen. ⇒ Partnerschaft

Ein Grund für die Wahl dieser Parish war, dass wie in Haar auch in Ilembula ein großes Krankenhaus im Gemeindebereich existierte, dessen Träger dort sogar die lutherische Kirche war. Den Boden vorbereitet für diesen Beschluss hatte auch eine Katechetin an den Haarer Grundschulen, Ingeborg Mager, die seit Jahren Kontakte in die Mission pflegte und die die erste Missionsbeauftragte der Kirchengemeinde Haar war.  Um sie hatte sich ein kleiner Afrikakreis gebildet. 

Frau Mager warb sowohl in ihren Schulklassen als auch in der Kirchengemeinde für die Mission in Afrika. Eine ihrer Töchter hatte einen Tansanier geheiratet und lebte in Dar-es-Salaam, wo die Mutter sie auch besuchte. Wenn die stattliche Frau Mager in wallendem afrikanischen Gewand durch den Mittelgang der Jesuskirche zu „ihrem“ Sitzplatz vorne schritt, konnte sie sich der Aufmerksamkeit aller bewusst sein.

Aufgrund des Kirchenvorstandsbeschlusses besuchte 1988 der damalige Pfarrer Willi Kästner zusammen mit seiner Tochter erstmals die Partner in Ilembula.  ⇒  Geschichte der Partnerschaft    Leider gingen aber von diesem Besuch keine großen Impulse zugunsten der Partnerschaft in die Gemeinde aus. Auch Frau Mager besuchte Anfang der 90er Jahre Ilembula im Rahmen eines Besuchs bei ihrer Tochter. Die Kontakte nach Ilembula blieben  aber trotzdem sehr gering.

Frau Mager und Pfarrer Kästner 1988 in Dar-es-Salaam

Kleine Anfänge ab 1991

1991 gründeten Peter Janker, Eva Pfann-Fleischmann und ich einen Dritte-Welt-Laden in der Jesuskirche, der später in Eine-Welt-Laden  umbenannt wurde.. Wir verkauften nach den Gottesdien-sten und während kirchlicher Veranstaltungen regelmäßig Produkte aus aller Welt.

. .

Durch unsere ehrenamtliche Arbeit erwirtschafteten wir allmählich eine größere Geldsumme, mit der wir eine sinnvolle Arbeit in Übersee unterstützen wollten. Doch welches Land? Welche Aktion? Da erinnerten  wir uns der „dahin dümpelnden“ Partnerschaft mit Ilembula und überlegten, wie wir Kontakt aufnehmen könnten. Ein Gast kam da gerade zur rechten Zeit.

Die Partnerschaft belebt sich

1994 kam auf Einladung des Prodekanats M-Ost eine Frauengruppe aus dem District (=Dekanat) Makambako, um ihre Partnergemeinden im Münchener Osten zu besuchen. Eine dieser Frauen, Rose Malekela, war bei Pfarrer Fleischmann und Frau Mager zu Besuch. Im Gespräch mit ihr entschieden wir uns, dass wir vom Eine-Welt-Laden gerne die Frauen in Ilembula unterstützen  würden. Über Rose Malekela nahm ich dann Kontakt zu den Frauen in der Parish Ilembula auf und erfuhr von deren großen Wunsch – einer Maismühle. Mit ihr kann der Mais zu Mehl gemahlen und zum Hauptnahrungsmittel Ugali verarbeitet werden – zur eigenen Ernährung und zum Verkauf, damit die Frauen ein kleines Einkommen haben. Durch den Betrieb dieser Mühle müssen die Frauen den Mais nicht mehr in harter Arbeit selbst zu Mehl stampfen. Bei einem Besuch Tansanias 1995 nahm Ruth Fischer, die Frau des Grafinger Pfarrers, 3.000.- DM von unserem Laden für diese Maismühle mit nach Ilembula. Sie wurde dort gekauft, installiert und war bis 2000 erfolgreich in Betrieb. Die Frauen der Parish konnten dadurch Geld für ihre Arbeit in der Gemeinde erwirtschaften.

Wer wird Gemeinde-Missions-Beauftragte?

Am 8.1.1996 war Frau Mager gestorben. Wegen meiner Kontakte nach Ilembula über Rose Malekela wurde ich deshalb 1995 sozusagen inoffizielle Gemeinde-Missions-Beauftragte der Jesuskirche. 1998 fasste dann der Kirchenvorstand offiziell den Beschluss, mich mit diesem Ehrenamt zu beauftragen. Dieser Beschluss war wichtig, denn ohne die Beauftragung durch und die Vernetzung mit dem Kirchenvorstand und die Rückendeckung durch die Pfarrer*innen ist diese Arbeit nicht möglich. Mit dem noch kleinen „Arbeitskreis Eine Welt“ hatte ich auch ein engagiertes Team im Rücken.

Wichtig war nun eine regelmäßige Korrespondenz mit unserer Partnergemeinde. Gott sei Dank war mit Pfarrer Myamba (1994-96) und Dekan Ngilangwa ein Briefverkehr in gutem Englisch möglich (Anfang der 90er Jahre wurde das große Dekanat Makambako geteilt und Ilembula wurde Dekanatssitz für die westliche Hälfte dieses Dekanats). Ich hatte dazu das Glück, dass in Ilembula Jakob Merere, ein pensionierter Lehrer mit sehr guten Englischkenntnissen, zum dortigen Partnerschafts-Sekretär gewählt wurde. Die quälend langen Postwege (oft mehrere Wochen) erforderten viel Geduld auf beiden Seiten. Deshalb konnten anfangs jährlich nur wenige Briefe hin und her gewechselt werden. Der Kontakt wurde aber immer intensiver. 1999 erhielten wir schon 26 Briefe, viele Photos und sogar ein Video. 
Dieser häufige persönliche Kontakt ist die Basis unserer Partnerschaft bis heute, wo wir dank Internet (WhatsApp und Emails) oft mehrmals in der Woche Nachrichten austauschen, Informationen erhalten und so am Leben unserer Partner*innen Anteil nehmen können. Seit Bryceson Mbilinyi, unser „Mann vor Ort“ in Ilembula, als Mitarbeiter des lutherischen Krankenhauses Zugang zum (anfangs natürlich instabilen) Internet hatte, hat ein enormer Umschwung in der Häufigkeit und Dichte unserer Korrespondenz stattgefunden.

Weitere Partnerschaftsaktionen nach 1995

1995 führt die evangelische und katholische Jugend in Haar eine große Altpapier-Sammelaktion durch. Der Erlös war für Kinder und Jugendliche in Ilembula bestimmt. 
1997 kommt von unseren Partnern die Bitte um Hilfe beim Schulgeld – vor allem für AIDS-Waisen und arme Kinder. Auch hier können wir dank der Jugend-Aktion mit 2.700.- DM helfen. Damit diese Kinder ( in manchen Jahren bis 150!) die Schule besuchen können, wird diese Hilfe auch in den  Jahren danach bis heute ein Schwerpunkt unserer Partnerschaftsarbeit bleiben.
Ab 1996 wurden im Gemeindehaus Ilembula junge Frauen in einer Nähklasse an von uns per Container gesandten Nähmaschinen geschult und ausgebildet. Nachdem wir den Anschluss an die  Elektroversorgung (mit allerdings vielen Stromausfällen) finanziert hatten, war diese Ausbildung sogar an unseren Elektro-Nähmaschinen möglich. Die Tretnähmaschinen waren dann in den vielen stromlosen Außendörfern (Preaching Points) willkommen.
Zum Kauf einer Mais-Schäl-Maschine und als Zuschuss zur nötigen Reparatur der Maismühle kann der Eine-Welt-Laden 1998 wieder 500.- DM beitragen. 
Seit 1994 wurden wir um Hilfe zum Ausbau eines Gästehauses (eine wichtige Einnahmequelle für die Parish!) gebeten. Da half meine Idee, viele Jahre lang an Gemeindeglieder einen vom damaligen Missionspfarrer Friedrich Eras selbst gemachten hübschen Adventskalender zu verkaufen. Über viele Jahre hinweg trug diese Einnahme dazu bei, den Ausbau des  Gästehauses mit 12 Räumen in  Ilembula erfolgreich zu unterstützen.

Da 2000 die viel benutzte Maismühle endgültig defekt war, unterstützten wir über ein Dekanatsprojekt nun die Anschaffung einer Mühle für Sonnenblumenkerne zur Ölgewinnung.

Auch begannen wir, uns an den Containeraktionen des Prodekanats München-Ost zu beteiligen und sandten schon 1995 ein paar Säcke mit Kleidung nach Ilembula. Ich will aber nicht verschweigen, dass es wegen dieser Kleidersendungen zu einem Konflikt mit dem Kirchenvorstand kam, der uns Ende 1997 diese Sendungen untersagte – ohne vorher mit mir als der dafür Verantwortlichen und mit unseren Partnern in Ilembula gesprochen zu haben! 
Trotzdem nahm unser Anteil bis 2020 an den zweimal jährlichen Containersendungen immer mehr zu. Wir sandten nun z.B. Näh- und Strickmaschinen, Stoffe und Nähmaterial, Fahrräder, hier nicht mehr gebrauchte Kindergartenstühle und -tische, 2002 auch schon erstmals Solarlampen und vieles andere, was unsere Partner wünschten und brauchen konnten (heute sind das schwerpunkt-mäßig auch PC’s und Laptops). 

Bei der hiesigen Umstellung von DM auf Euro 2001 hatte ich die Idee, alte ausländische Münzen zu sammeln und dann in den Herkunftsländern in Euro umzutauschen. Dank der engagierten Hilfe von Freund*innen und Bekannten in ihren Urlaubsländern konnten wir durch den Umtausch von knapp 200 kg Münzen ca. 4.000.- Euro für unsere Partnerschaftsarbeit erlösen.

Erwähnenswert ist auch, dass im Jahr 2000 die Konfirmanden ihre Jahresspende unserer Partnergemeinde widmeten. Dafür konnten 2 Solarlampen für Evangelisten angeschafft werden.

Bewusstsein für unsere eine Welt fördern, Sponsoren gewinnen … 

Ohne die Unterstützung und Hilfe anderer Menschen wäre es mir nicht möglich gewesen, diese Arbeit zu tun und sie immer mehr auszubauen. Ich habe viele Gemeindeglieder angesprochen und dafür gewonnen, uns regelmäßig finanzielle Unterstützung zu gewähren. Auch Freund*innen außerhalb unserer Gemeinde habe ich dafür begeistern können. 

So konnten und können wir bis heute jungen Menschen in Ilembula eine Ausbildungsförderung über die Grundschule hinaus ermöglichen. Über viele Jahre hinweg konnten wir dadurch anteilig Schul- und Hochschulgebühren bezahlen für Evangelisten, Krankenschwestern und -pflegern und auch für eine Ärztin. Ohne unsere jährliche Unterstützung bis heute hätten vor allem auch die Mitarbeiter der Parish Ilembula bei ihrem minimalen Gehalt nie und nimmer die Ausbildung ihrer Kinder finanzieren können!

Durch unseren intensiven Einsatz konnte ich und konnten wir im „Arbeitskreis Eine Welt“ das Bewusstsein in Haar fördern, in einer Welt zu leben, verantwortlich zu sein für unseren Planeten und für alle Menschen auf ihm. Unsere jährlichen Partnerschaftsgottesdienste in der Jesuskirche, für die wir als Arbeitskreis verantwortlich zeichneten, haben durch ihre interessante und abwechslungsreiche Gestaltung ihr Teil dazu beigetragen. Wenn möglich, haben wir dazu auch immer Gäste aus Ilembula bzw. Tansania eingeladen.

Es braucht persönliche Begegnungen!

Pfarrer Kästner und Frau Mager waren viele Jahre lang die einzigen, die Ilembula besucht hatten. Ohne persönliche Begegnungen aber kann eine Partnerschaft nicht leben. Sie ist das „Salz in der Suppe“ und schafft intensive persönliche Kontakte hin und her.

Bis 2003 waren wir auf Besuche von Gruppen aus Tansania angewiesen, die aufgrund einer Einladung durch das Prodekanat München-Ost bzw. einiger seiner Gemeinden nach München kamen. Manche von ihnen kamen dann auch zu uns nach Haar (schon 1991 im Rahmen einer Jugendbegegnung der Evangelist Benson Delile, 2001 Beatrace Merere mit einer Frauengruppe). Über sie konnten wir direkten Kontakt zu unseren Partnern in Ilembula aufnehmen.

Unser Kontakt mit Ilembula änderte sich grundlegend 2003. Pfarrer Thomas Kretschmar war bereit, mit einigen von uns Ilembula zu besuchen, wo wir schon seit langem sehnlichst erwartet wurden. Ich konnte meine Freundin Helga Döring dazu gewinnen, mit uns die Reise zu wagen. Ihrem zögernden Mann Jochen sagte ich zu, dass er „nur“ als Fotograf mitfahren müsse. Und meinen Mann konnte ich schließlich auch für diese gemeinsame Reise gewinnen, dazu die schon erwähnte Ruth Fischer, die als Pfarrfrau durch einen langjährigen Aufenthalt in Njombe Land und Leute kannte und als Sprach- und Kultur-Übersetzerin für uns unentbehrlich war. 

Diese Besuchsreise war ein Wendepunkt in unserer Partnerschaft. Die Menschen in Ilembula empfingen  uns begeistert und mit überwältigender Gastfreundschaft. Wir lernten uns endlich einander persönlich kennen und schätzen. Nicht nur seine Frau, auch Jochen Döring hat sich während dieser Reise mit dem „tansanischen Virus“ infiziert. Er wurde später mein Nachfolger als Gemeinde-Missions-Beauftragter und ist heute Vorsitzender unseres Partnerschaftsvereins HA-ILE e.V.

Unserem Besuch 2003 folgten viele (eigenfinanzierte!) Besuche sowohl von uns als auch von Dörings, zu denen wir immer wieder Gemeindeglieder und Bekannte mitnahmen. Und durch die finanzielle Unterstützung vieler Sponsoren und vor allem der Erlöse des English-Booksale konnten wir auch Besuche durch unsere Freunde aus Ilembula finanzieren. 

Von solchen Begegnungen lebt unsere Partnerschaft – bis heute!

Haar, 12. Februar 2021