Kleine Geschichten

Die wundersame Geschichte von Noel

Atu Bange, Krankenschwester und bis 2017 Gesundheitsbeauftragte der Süddiözese , hatte uns schon von ihrem Pflegekind Noel erzählt – bei ihrem Besuch 2016 in Haar  fragte sie nach Geschichtsbüchern auf Englisch für ihn. Bei der Abiturfeier in der privaten Oberschule Kidugala lernten wir im Mai 2017 Noel kennen. Er hatte das Abitur mit Auszeichnung bestanden und sprach fließend Englisch. Nach der großen offiziellen Feier waren wir im kleinen Kreis zum Mittagessen bei Noels Familie eingeladen.

Eine besondere Familie: seine finnische Pflegemutter – die pensionierte aber noch tätige Kinderärztin Dr. Leena Pasanen,  seine tansanische Pflegegroßmutter Atu Bange und die tansanische Familie, bei der er als Kind oft gewohnt hat.

Bei unserem Besuch im April 2017 erzählte uns Leena die ganze Geschichte. Sie begann 1995 als eine Frau in Makambako eine öffentliche Toilette aufsuchte und ein Baby weinen hörte. Doch wo war das Kind? Es steckte im Loch der Latrine, das Köpfchen schaute oben raus … Der kleine Findling, an dem noch die Plazenta hing, wurde in der Krankenstation von Makambako  versorgt und vom katholischen Priester Noel getauft, weil er an Weihnachten gefunden worden war. Dann wurde er nach Njombe gebracht, doch die schickten ihn gleich zum Krankenhaus Ilembula weiter. Dort schrie er nur laut und lag steif im Bett. So lernte Leena Noel kennen und alle dachten, er hätte schwere Hirnschäden und würde für immer ein behindertes Kind bleiben. Als er etwa1 1/2 Jahre alt war, konnte er zum ersten Mal sitzen. Mit 3 Jahren fing er an zu laufen, hatte aber vor allem steife Hüften und fiel dauernd hin. Dann kam er in den Kindergarten des Krankenhauses, dort hatte Atu ihr Enkelkind und traf Noel laufend. Er gehorchte sehr und hat immer gelacht. Mit 4 Jahren sprach er nur einzelne Wörter, aber mit viereinhalb  sang er alle Lieder mit, wiederholte auch englische Worte und sagte die 10 Gebote mit den Erklärungen auf. Mit 5 Jahren wollte er schon schreiben. Dann war die Zeit des Kindergartens in Ilembula vorbei.

Er sollte in ein Waisenhaus nach Dar-Es-Salam, aber Leena befürchtete , dass er wie die meisten dort ein Straßenjunge würde. Sie fand schließlich ein Heim in Moshi (Nord-Tansania), in dem die Kinder super versorgt und in gute Schulen geschickt wurden. Sie bereitete ihn auf die weite Reise vor und  fand dort eine tansanische Pflegefamilie, behielt aber den Kontakt zu Noel. In den Ferien kam er immer nach Ilembula, traf Leena und Atu und spielte oft mit den Kindern im inzwischen geöffneten Waisenhaus. Von der privaten Grundschule in Moshi bekam er die besten Noten. Deshalb schickte man ihn zur lutherischen Secondary School Kidugala, nicht soweit von Ilembula entfernt.

Dass dieser begabte Noel das elende Findelkind aus Makambako war, erfuhren wir erst bei unserem Besuch bei Leena. Er kann zwar nicht Fußball spielen und sich nicht gut vorbeugen um die Schuhe zu zubinden. Aber er ist sehr interessiert, spricht über alle möglichen Themen und möchte gern Pfarrer werden.

Wir danken Dr. Lena für diese schöne wahre Geschichte. (Helga Döring)

Die tapfere Schneiderin

Felista hat eine kleine Schneiderwerkstatt an der Haupteinkaufsstraße in Ilembula. Wir lernten sie kennen, als wir 2007 die 2004 gegründete Selbsthilfegruppe der HIV-Infizierten „Faraja“ (= Trost) besuchten. Seitdem treffen wir diese aparte und herzliche Frau bei all unseren Besuchen in Ilembula. Leider spricht sie kein Englisch und Helga nicht genügend Kisuaheli.

2014 hatte Jochen die Idee, Felista zu interviewen um mehr von ihr zu erfahren. Dabei dolmetschte Asifiwe Mbilinyi. Wir fragen sie, wie es ihr als HIV-Infizierte geht. Und sie erzählte:

Die Medikamente sind frei und helfen ihr gut. Als sie 2003 erfahren hatte, dass sie infiziert war, waren ihre Kinder 7, 5 und 3 Jahre alt. Sie beschloss, bei der Gruppe Faraja mitzumachen – aber ihr Mann wollte es ihr verbieten. „ Was werden die Leute sagen? Wenn du das tust, verlasse ich dich“. Und das tat er und zog in einen anderen Ort (gehört er zu den Infizierten, die sich aus Angst, Scham oder Überheblichkeit nicht testen lassen?). Felista musste sich seitdem alleine um die Kinder kümmern, aber zum Glück war nun die Faraja ihre Ersatzfamilie, wie sie immer wieder betonte.

Inzwischen waren die Kinder 18, 16 und 14 und gingen alle auf Secondary Schools. Die Schulgebühren musste sie alleine stemmen, durch die Näherei und eine kleine Landwirtschaft. Von unserer Partnerschaft bekam sie bis dahin auch keine Unterstützung, denn unsere Hilfe gilt nur den Vollwaisen. Aber all unsere Besuchsgruppen lassen sich von ihr die schönen tansanischen Gewänder nähen. Vorübergehend bekam sie einen Zuschuss zu den Schulgebühren von uns, jetzt kümmert sich die SchuPa um die Faraja-Gruppe. (Helga Döring)

Warum wurde gerade Bryceson Mbilinyi AIDS-Beauftragter?   

Der Pfarrer von seinem Heimatort Wangama hatte ihm geraten, Evangelist zu werden. Gerade als Mbilinyi in Kidugala mit der Ausbildung fertig wurde, suchte der Bischof einen Evangelisten für die neue Stelle als AIDS-Beauftragter im Krankenhaus Ilembula. Wie kamen sie auf Mbilinyi? Ah, sagte er lachend, das ist eine besondere Geschichte. „Es gab dort in der Evangelistenschule in Kidugala einen verwahrlosten, geistig zurückgebliebenen jungen Mann, der immer gerade zu den Mahlzeiten bei den künftigen Evangelisten erschien, um nach Essen zu betteln. Er war total verlaust, hatte Krätze und stank, und alle wendeten sich ab. Bis ich ihn eines Tages zum Fluss führte, ihn dort mit Seife kräftig wusch, die Krätze behandelte, die alte Kleidung vernichtete und ihm das neue Gewand anzog, das ich vorher vom Schulleiter bekommen hatte. Dann bat ich die Schulleitung, den jungen Mann in der Schule wohnen zu lassen.

Sein Verhalten besserte sich, und jetzt arbeitet er immer noch für die Gemeinde, hilft im Garten oder in der Küche und ist gut gekleidet – sogar mit Krawatte.“ Die Geschichte sprach sich damals natürlich rum, und so war es kein Wunder, dass Mbilinyi als geeignet erschien, um im Krankenhaus zu beraten. (Helga Döring)

 

Was hat das Fitness-Studio mit der Partnerschaft zu tun?

Ich hörte neulich, dass Jochen mit jemand vom Fitness-Studio telefonierte. „Haben die angerufen um zu fragen, warum du solange nicht dort warst?“ fragte ich im Spaß. „Nein, um Bescheid zu geben, dass sie wieder liegen gebliebene Klamotten haben, die sie uns für Tansania geben wollen.“ Da wir an Sportschuhen und –Kleidung sehr interessiert sind, fuhren wir gleich hin. Uns bediente ein netter junger Mann, den wir kannten aber nicht mehr wussten, woher. „Waren Sie im Arbeitskreis vom Ernst-Mach-Gymnasium oder woher kennen wir uns“? traute ich mich zu fragen. „Nein, ich war bei den Konfirmanden vor einigen Jahren und da haben Sie beide von Ilembula erzählt!“ Wir haben nachgesehen: das war im Jahr 2007! Vielen Dank, nicht nur für die Kleiderspenden, sondern vor allem für diese Begegnung. (Helga Döring)

Die „nackerte“ Puppe und ihre Folgen

Vor einigen Jahren haben wir an der Jagdfeld-Grundschule Spielzeug für Kinder in Ilembula gesammelt. In der Aula standen die leeren Kartons und ein Plakat erklärte, dass die Kinder in Tansania nur selten Spielzeug haben. Da rief mich eine Haarerin an, dass sie – als sie ihre Enkelin von der Schule abholte- gesehen habe, dass in dem Karton eine „nackerte“ Puppe lag. „Die kann man doch nicht so nach Tansania schicken!“ meinte sie und sagte mir, dass sie der Puppe erst einmal was zum Anziehen stricken würde. Das war der Beginn einer „produktiven“ Beziehung, inzwischen hat die Strickerin hunderte von Mützchen, Schuhchen und Decken für Babys nur aus gespendeten Wollresten hergestellt. Und sie und ihr Mann helfen uns tatkräftig bei der Partnerschaftsarbeit und sind uns gute Freunde geworden. All das dank der „nackerten“ Puppe… (Helga Döring)